Hexenbadewannen und andere Räuberpistolen – die 1000-jährige Stadt steckt voller Geschichten, die man sich am besten von der Frau des Nachtwächters erzählen lässt.
Lage: am Schnittpunkt von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
Höhe: 1142 m. ü. NN
Tourismus: Wandern, Mountainbiking, Golfen, Wellness
Klack klack klack. Auf dem Goslarer Marktplatz kommt uns eine Frau mit schwerem schwarzen Umhang und Hut entgegen, in der linken Hand eine Laterne, in der rechten einen übermannshohen Holzstock: Die Frau des Nachtwächters. Mit ihr sind wir verabredet, um „mystische Momente“ zu erleben und „kuriose Käuze“ kennenzulernen. So jedenfalls lautet die Ankündigung der Stadtführung, die wir gebucht haben.
Als die Kirchenglocke neunmal läutet, haben sich mehrere Pärchen unterschiedlichen Alters, drei Kinder und ein Hund am Treffpunkt eingefunden. Ein Streichholz zischt, die Frau entzündet das Licht in ihrer Laterne und spricht: „Ick bünn Mariechen. De Fru von denn Nowächter Chrischaan.“ – „Ich bin Mariechen, die Frau des Nachtwächters Christian“, übersetzt sie für unsere schwäbischen Mitwanderer und erklärt, dass die Nachtwächter in Goslar vor 100 Jahren Plattdeutsch gesprochen haben. Die Sprache der einfachen Leute ist heute in Südniedersachsen fast ausgestorben.
Mariechen deutet auf den Marktbrunnen und erzählt auf Hochdeutsch, dass die Schale mal eine Hexenbadewanne gewesen sei. Luzifer habe sie zu Walpurgis bei einem Flug über Goslar verloren. Manch einem würde noch heute der Teufel erscheinen, wenn er nachts an den Brunnen klopft. Die Zahl der zuvor besuchten Kneipen soll die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen.
Ick bünn Mariechen. De Fru von denn Nowächter Chrischaan. – Mariechen, Frau des Nachtwächters –
Zwischenstopp beim „Großen Heiligen Kreuz“: Im ältesten bürgerlichen Hospital Deutschlands wurden einst Waisen, Bedürftige und Gebrechliche versorgt.
Anekdoten von sündigen Zechern und tropfenden Zapfhähnen begleiten unseren Weg durch die Altstadt in Richtung Norden. Mariechen spricht leise. Wir hören gebannt zu und folgen ihrer Stimme und dem Licht der Laterne durch enge Gassen, vorbei an weißen Fachwerkhäusern, vor deren Türen Fackeln brennen. Vor uns türmt sich in dunkelgrüne Baumkronen verpackt der Rammelsberg auf. Wir halten. „Ihr müsst verstehn! Aus Eins mach Zehn …“, flüstert Mariechen, „ … und Neun ist Eins, und Zehn ist keins …“, vollendet sie das Hexeneinmaleins aus Goethes Faust. Eine Gedenktafel am Gebäude vor uns erinnert an den Besuch des großen Dichters in Goslar.
Wir üben uns in damals verordneten Leibesübungen, schlüpfen in verschiedene Rollen, hören Räuberpistolen und werden schließlich mit einem Schluck aus der Kräuterpulle von unseren Zipperlein wundersam geheilt. Als wir wieder vor die Tür treten, holen uns die vorbeibrausenden „Metallkutschen“ ins Heute zurück.
Nach alter Handwerkstradition wird im Brauhaus Goslar mit Harzer Wasser selbst gebraut. Die Helle Gose – ein obergäriges und naturtrübes Weizenbier – ist gold, malzig-süffig und hat eine dezente Hopfennote. Die Dunkle Gose erhält ihre Farbe durch ein drittes Spezial-Malz und schmeckt ein wenig rauchig. Neben dem Rammelsberger Pils hat das Brauhaus verschiedene Saisonbiere im Angebot, zum Beispiel die im Holzfass gelagerte Whisky-Gose.
Nur drei Städte in ganz Deutschland haben ihre eigene Biersorte – und Goslar ist eine von ihnen! Dem Flüsschen, das der Stadt auch ihren Namen gab, verdanken die Goslarer ihr besonderes Bier: die Gose. Wie das Kölsch in Köln, ist die Gose in Goslar eine ganz eigene Biersorte. Und statt Prost heißt es hier: Goseanna!
Motto-Führungen Goslar
Lerne die Stadt auf unterhaltsame Art und Weise bei Motto-Führungen kennen (Dauer etwa 1,5 Stunden):
Essen, Trinken & Schlafen
Etwa fünf Autominuten von Goslar entfernt liegt mit bester Aussicht über die Stadt die Steinberg Alm. Alles nach bayerischem Vorbild, auch die Spezialität des Hauses – Almrippe mit Spätzle: Nonnenberg 11, 38644 Goslar, Tel. 0 53 21/6 85 65 24.
Selbst gebrautes Gose-Bier und
Gerichte aus der Region. Köstlich: Steak vom Harzer Roten Höhenvieh mit Preiselbeeren und Ziegen-käse, dazu „Knieste“, eine Ofen-kartoffel nach altem Harzer Rezept.
In diesem „modern-historischen Altstadthotel“ ist alles wunderbar krumm und schief. Liebevoll wurden alte Balken, Mauerelemente und Wandkritzeleien freigelegt. Gäste schlafen auf dem „Haferboden“, dem „Alten Speicher“ oder in der „Sattelkammer“ bzw. in zwei Ferien-wohnungen. Übernachtung mit Frühstück im DZ ab 89 Euro.
Text: Vienna Gerstenkorn
Fotos: Philipp von Ditfurth
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